Chronik und Geschichte der Wohnungsgenossenschaft Holzweißig

Holzweißig, in unmittelbarer Nähe des Industriegebietes Bitterfeld liegend, hatte in den zwanziger Jahren besonders an der Wohnungsnot zu leiden. Die Arbeiter versuchten, sich in der Nähe ihrer Arbeitsstelle anzusiedeln. Der Kreis und die Regierung wünschten keine Einzelhäuser sondern eine geschlossene Bauweise. Diesem Wunsch konnte nur durch eine Genossenschaft gerecht werden. Die Versuche zur Gründung einer Genossenschaft in den Jahren 1923 und 1924 scheiterten, insbesondere, weil kein arbeitsfähiger Vorstand vorhanden war. Am 4. April 1927 entstand nach mühsamer Kleinarbeit in Verhandlungen mit den Gemeindekörperschaften und dem Kreis die Baugenossenschaft Holzweißig e.G. mbH. Der erste Vorstand der Baugenossenschaft war:

erster Vorsitzender:      		Schmied Herr Max Pütter                  
Kassierer:                     		     Sattlermeister Herr Otto Krüger
Schriftführer: Schlosser Herr Gustav Höhne
Aufsichtsratsvorsitzender: Lokomotivführer Herr Paul Beutler Als der Sattlermeister Krüger am 13. 11. 1928 verstarb trat an seine Stelle Töpfer Herr Paul Hollstein


Als erster Platz wurde der Baugenossenschaft von der Gemeinde das Gelände zwischen Karlstraße und Tränkeweg zur Verfügung gestellt. Ausgeführt wurde das Projekt vom Architekten Reuter aus Bitterfeld. Die Finanzierung des ersten Häuserblockes, Ilsenstraße 9 - 14 (heute Clara-Zetkin-Straße 32 - 42) sah etwa folgendermaßen aus:

	1. Hypothek	Landespfandbriefanstalt Berlin		96.000,- RM
	2. Hypothek	Gemeinde Holzweißig			  25.000,- RM
	3. Hypothek	Kreiskomunalverband Bitterfeld
				(Hauszinssteuerhypothek) 		 125.000,- RM


Die Arbeiten für den Wohnblock begannen im Juli 1927. Durch das schräge Gelände mußte das Haus auf eine Betonplatte gestellt werden. Die Ausführung kostete rund 14.000,- RM zusätzlich und belastete die Genossenschaft schwer. Dem fielen daher sich die für die Clara-Zetkin-Straße 40 vorgesehenen Bäder zum Opfer. Die Arbeiten zum Ausbau des Häuserblocks teilten sich die Maurer Karl Weihmann, Otto Hoffmann und Franz Metka. Durch den Zimmerermeister Richard Hammer aus Bitterfeld wurden die Zimmererarbeiten ausgeführt. Zusätzlich mußten die Genossen 500 Pflichtstunden leisten. Im März 1928 zogen die ersten Genossen in ihre neue Heimat ein.


Bauarbeiten am Wohnblock Clara-Zetkin-Straße 32 - 42
Zum Richtschmaus kamen alle Genossen, die am Bau beteiligten Handwerker und die Vertreter des Kreises und der Gemeinde zusammen, um das begonnene Werk zu feiern. Jeder Genosse bekam 6 Biermarken, ein Paar Würstchen mit Brötchen und die Männer je 2 Zigarren. Die Frauen bekamen außerdem Kaffee. Für die Musik sorgten die Zimmerleute der Firma Hammer.


Im Juni 1928 wurde mit dem Bau des zweiten Wohnblockes (Clara-Zetkin-Straße 39-49) begonnen. Die Art der Ausführung und die zu leistenden Pflichtstunden waren dieselben wie beim ersten Block. Nur die Finanzierung war etwas anders geregelt:

	1. Hypothek 	Landesversichrungsanstalt 
Sachsen-Anhalt, Merseburg 126.000,- RM
2. Hypothek Gemeinde Holzweißig 25.000,- RM
3. Hypothek Kreiskomunalverband Bitterfeld
(Hauszinssteuerhypothek) 108.000,- RM


Bauarbeiten am Wohnblock Clara-Zetkin-Straße 39 - 49

Der zweite Wohnblock konnte nach sehr kurzer Bauzeit bereits am 15. November 1928 bezogen werden. Bei der Vergabe der Wohnungen traten jedoch einige Schwierigkeiten auf. Die Landesversicherungsanstalt verlangte die Einreichung aller Invalidenkarten, um festzustellen, daß sämtliche Mieter versichert seien. Aber auch hier wurden Auswege gefunden und auch ein bißchen gemogelt.


Für den dritten Bauabschnitt, die Helenenstraße 26 - 44, welcher im Mai 1929 begann, waren 50 Wohnungen vorgesehen. Aus nicht mehr nachzuvollziehenden Gründen wurden jedoch nur 42 Wohnungen gebaut. Neuer Architekt war Herr Max Rammler aus Bitterfeld, die Bauausführung ist Maurermeister Herrn Otto Hoffmann übertragen worden. Die Finanzierung war wie folgt geregelt:
	1. Hypothek	Landesversicherungsanstalt
Sachsen-Anhalt, Merseburg 175.000,- RM
2. Hypothek Gemeinde Holzweißig 37.000,- RM
3. Hypothek Kreiskomunalverband Bitterfeld
(Hauszinssteuerhypothek) 150.000,- RM


Bauarbeiten am Wohnblock Helenenstraße 26 - 44



In den Folgejahren wurden drei weitere Wohnblöcke gebaut, 1930 die Heinrichstraße 2 - 12, 1934 die Cäcilienstraße 17 - 19A und 1938 die Heinrichstraße 1 - 13. Leider liegen uns zu diesen Blöcken keine so detailierten Informationen vor wie zu den drei ersten.

Heinrichstraße Helenenstraße Cäcilienstraße

An dieser Stelle soll noch einmal hervorgehoben werden, daß die Mitglieder der Genossenschaft mit ihren Frauen, Kindern und Verwandten unermüdlich während ihrer Freizeit Arbeiten verrichteten. Dazu gehörten Erdbewegungen, Straßenregulierungen, Herstellen von Steinen, schlichtweg alles, was zu solch einem derartigen Bau gehört. Bedingung für jedes Mitglied der Genossenschaft war eine unentgeltliche Arbeitsleistung von 500 Pflichtstunden. Der Genossenschaftsanteil jedes Mitglieds betrug 600,- RM, wovon jede Woche 1,- RM bezahlt werden sollte. Die Durchschnittsmiete für eine Wohnung betrug 30,-RM. Demgegenüber stand mit 30,- bis 35,- RM ein wöchentlich bereits hoher Verdienst.

So wurden zum Beispiel die Anwärter auf Wohnungen für den zu errichtenden Wohnblock Cäcilienstraße mit folgendem Schreiben zur Mitarbeit aufgerufen:

An unsere Wohnungsanwärter

Hiermit geben wir Ihnen bekannt, daß die Vorarbeiten zur Durchführung unseres neuen 36-Familienwohnhausblockes soweit durchgeführt sind, daß bereits in den nächsten Tagen mit den Erd- und Maurerarbeiten begonnen wird.
Die fortgeschrittene Jahreszeit macht es erforderlich, daß, um die Wohnungen noch bis Jahresabschluß bezugsfertig zu haben, Eile unbedingt geboten ist. Wir fordern Sie deshalb hiermit auf, mit der Leistung der Pflichtstunden zu beginnen und sich zu diesem Zweck

ab Mittwoch, dem 27 September 1933, nachm. 13 Uhr

auf der Baustelle - Cäcilienstraße - bei dem Kolonnenführer Gen. Max Pütter zu melden. Im Behinderungsfalle muß unbedingt ein Ersatzmann gestellt werden. Sie können auch mehrere Leute zur Ableistung Ihrer Pflichtstunden entsenden.
Bei dieser Gelegenheit geben wir schon heute bekannt, daß Sie ertst nach einer Mindestleistung von 300 Pflichtstunden Anrecht auf eine Wohnung haben.

Aber nicht nur bei der Arbeit waren die Genossenschaftler stark gefordert, auch zum sparsamen Umgang mit elektrischen Strom wurden sie von Anfang an angehalten, wie folgender Auszug aus einem Rundschreiben von 1934 zeigt:

Das Einpflanzen von hochwachsenden Pflanzen vor den Waschhausfenstern ist nicht gestattet. Bereits erfolgte Einpflanzungen sind sofort zu entfernen.
Für die Zeit vom 1. 4. - 30. 9. Sind die Birnen aus den Brennstellen im Wasch- und Baderaum vom Hausmann zu entfernen und am Donnerstag, den 6. April durch den Hausmann bei der Einzahlung der Miete mit abzugeben. Es ist auch nicht gestattet, eigene Birnen einzuschrauben.



Hierzu muß zur Erläuterung sicher noch gesagt werden, daß die Wohnungen damals nicht über Bäder verfügten. In jedem Haus befand sich ein Gemeinschaftsbad und ein Gemeinschaftswaschhaus. Sonnabend war meistens Badetag. Dazu wurde an einer Tafel jeweils Uhrzeit und Name für die Badbenutzung eingetragen. Ähnlich verhielt es sich mit dem Waschhaus:
Meier, Mo - Mi gr. Wäsche
hieß nichts anderes, als das Frau Meier von Montag bis Mittwoch große Wäsche waschen wollte.



Mietspiegel vom 28. Januar 1935:

zu zahlen sind pro qm   0,51 RM

es sind zu zahlen für:

44 qm	..........	22,-   RM

46 qm	..........	23,50 RM

48 qm	..........	24,50 RM

58 qm	..........	29,60 RM

60 qm	..........	30,-    RM

65 qm	..........	32,50 RM

68 qm	..........	34,-    RM

72 qm	..........	35,50 RM

74 qm	..........	36,65 RM


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